Der Schlag in die Magengrube treibt mir die Luft aus den Lungen, so dass es nicht für mehr als ein lautloses Wimmern reicht. Mein Kopf dröhnt und ganz viel NichtGefühl verknotet sich zu maximaler Verwirrung, die mich in Ketten legt.
Etwas weint. Verzweifelt, unartikuliert. Kein Wunder, is es doch erst etwas älter als ein Jahr und Sprache ist noch so unbedeutend.
Wieder wird es abgewiesen. Wieder wird es nicht gesehen. Wieder wird es enttäuscht, weil es offensichtlich nichts zu geben scheint, was Beachtung verdient.
Und wieder ist Rot einfach nur so hilflos, dass sie Rosa und den Parasit – vorallem den Parasit – weiter anstachelt und um Sichtbarkeit bettelt.
Wieder stolpere ich über die Dinge, die ich nicht bekomme und nicht artikulieren kann, weil es doch keine Worte dafür gibt. Weil Sprache keine Bedeutung hat. Weil nur und ausschließlich Körperlichkeit zählt.
Ich will flüchten und mich unsichtbar machen, Kontakte beenden und dramatisch und blutüberströmt sein.
Schlagwort: EgoState Rot
Pazifismus
Diese Sekundenbruchteile, in denen alles nicht nur einfach, sondern auch noch möglich scheint. In denen alles einen Sinn ergibt und ich zu allem bereit bin. Zu leuchten erscheint ebenso denkbar wie zu verglühen. Beides wäre grandios absolut und absolut grandios.
⦁
Rot steht vor mir. Ihr heißer Atem dampft mir wenig Corona-konform ins Gesicht und ihre Augen brennen mir ein Loch ins Gehirn. Sie will sich prügeln, sie will rennen, sie will schreien, bis mein Hals, meine Füße und der ganze Rest bluten. Ich gebe ihr ein Kissen in die Hand und erlaube ihr, damit das Bett zu verprügeln. Sie lacht mich aus. Fragt mich, ob ich noch ganz dicht bin. Ich zucke nur hilflos mit den Schultern und verweise auf Frau Bezugseinzeltherapeutin, deren Vorschlag es war. Ihre Schuld, nicht meine.
Rot sucht sich imaginäre Streitpartner, die sie sehr ausführlich zur Schnecke machen kann und wirft ein, dass noch Rasierklingen im Schrank sind. Ich werfe ein, dass ich das schon ziemlich genau weiß, aber ich ihr einen Spaziergang anbieten kann, trotz erst vor wenigen Minuten vereinbarten bewegungsfreien Tag. Also gehen wir. Schnell. Genießen den Schmerz in den Beinen und den Schnee, den mir der Wind ins Gesicht treibt.
Es zerreißt mich dennoch. Nach wie vor. Trotz guter Krankengymnastik. Trotz Sekundenbruchteilen. Körperliche Aggression, die nicht nur mir Angst machen sollte, breitet sich erneut in mir aus und Rot will mehr.
Abwarten
°Triggerwarnung°
Ich will hübsche Worte dafür finden, dass mein halber Unterarm nackt ist und eine nicht enden wollende Welle Schmerz über mich hinweg rollt, weil ich es vor Tagen schon in einer Kurzschlussreaktion für eine gute Idee hielt, mein übrig gebliebenes Teewasser über diesen Umweg ins Waschbecken zu schütten. Aber ich finde sie nicht, denn da ist einfach nur nacktes Fleisch unter einem unspektakulären Verband, der seither täglich in der Medizinischen Zentrale gewechselt wird – und gestern neben der Wundauflage auch eine Menge Haut den Weg in den Abfall findet.
Es dauert eine Weile, ehe ich mir trotz selbst schuld eine Schmerztablette erlaube, weil es halt einfach scheiße weh tut, wenn physische und emotionale Belastungen in blanke NervenEnden beißen.
Und weil es inzwischen drei sind, frage ich mich, ob Übelkeit nun so viel besser ist.
Maskenpflicht
Rosa und ich halten uns unauffällig an der Hand. Wir haben uns arrangiert und weil Frau Bezugseinzeltherapeutin weder so erfahren noch so gut wie der Herr Vertretungseinzeltherapeut ist, sieht sie es nicht. Er hätte es längst herausgefunden und mich in sämtliche Einzelteile zerlegt. Sie aber glaubt meinen Fortschrittsbekundungen – und ich spiele mit ihr, ohne dass ich genau sagen könnte, warum. Vielleicht einfach, weil ich es kann.
Wir reden über bewegungsfreie Tage, Post-Klinik-Wochenstrukturen und -Essenspläne, von denen ich allesamt nicht gewillt bin, sie auch nur ansatzweise einzuhalten. Das Konstrukt aus Halb- und Unwahrheiten trage ich hübsch demonstrativ vor mir her und es ist groß genug, um nicht nur Rosa, sondern auch SchwarzRotGrau und mich samt Gedankensalat dahinter zu verstecken.
Ich kann hier nicht gesund werden – weil ich es nicht will. Und keiner merkt es.
Zerfetzt
Ausnahmsweise fragt sie, die Frau Bezugseinzeltherapeutin, mich heute am Ende der Sitzung nicht, ob ich noch etwas brauche, während ich meine Maske vollheule. Dabei wäre die Antwort so einfach. Ein Land ohne Auslieferungsabkommen, einen Baseballschläger, ein kleines bisschen Zeit allein mit diesen Arschlöchern.
Rasend ist garkein Ausdruck.
Bedrohung
[Triggerwarnung]
Rosa ist frustriert, weil die erlaubten 30 Minuten Bewegung am Tag in Form von Spaziergängen – auch wenn sie bei maximalem Tempo mit möglichst viel Strecke gefüllt werden – lächerlich sind und ich mich seit zwei Wochen auch noch brav daran halte. Also, bis gestern zumindest. Ich brauche ja ein Thema fürs nächste Einzel.
Das letzte Einzel verbringe ich damit, die Selbstverletzung, die ich geheim halten wollte, detailliert zu erörtern. Nicht, weil ich mich freiwillig anders entschieden hätte, sondern weil Körper der Meinung war, sein Leid in aller Öffentlichkeit zur Schau stellen zu müssen. Gut, ich habe wohl meinen Körperfettanteil ein klitzekleines bisschen falsch eingeschätzt, als es um die Tiefe ging – immerhin ist das letzte Mal knappe 20 Kilo her. Also hole ich mir bei der medizinischen Zentrale einen Verband ab, bei dem ich schon beim Anlegen denke, dass er verdächtig locker sitzt in Anbetracht meiner Sickerblutung, die seit 3 Stunden anhält. Als im Speisesaal beim Abendessen mein Arm plötzlich rote Schlieren auf der Tischplatte hinterlässt, weil es durch diverse Lagen Verband, ein langärmliges Oberteil und eine dicke Sweatjacke gesuppt ist, verkleinert sich schlagartig mein Sichtfeld. Ich schnappe ich mir eine Serviette und gehe erneut zur MZ. Einen Druckverband später, der so fest wie der vorherige locker ist, bin ich wie im Tunnel und möchte im Boden versinken.
Als ich am nächsten Morgen aufwache und meine Hand betrachte, muss ich an Star Trek denken – wenigstens ist meine Zunge nicht taub. Also muss ich noch einmal zur MZ und ernte dort wie auch später von meinem Mitpatienten ungläubige Blicke angesichts des Ballons, der nur entfernte Ähnlichkeit mit einer Hand hat, bekomme aber nun SteriStrips – die mir bisher nicht angeboten wurden – und endlich einen vernünftigen Verband.
Am Abend bin ich vorsichtiger. Ein Pflaster und ein selbst improvisierter Druckverband reichen.
Dass ich nun kommende Woche im Einzel wie vereinbart ganz einsichtig meine gebrauchten Rasierklingen abgebe, geschieht einzig deshalb, weil ich bereits neue habe – Rosa, Schwarz und Rot haben sich zusammengetan und eine Petition eingereicht, weil sie sich unmöglich auch noch diesen durchaus zweideutig zu verstehenden letzten möglichen Ausweg wegnehmen lassen können. Ich stimme dem zu.