Anabol

Während ich versuche, meinen Gedankensalat irgendwie sinnvoll einzusortieren, drängt sich eine so simple wie bahnbrechende Erkenntnis relativ dreist dazwischen. Vielleicht ist es ja auch okay, gerade einfach mal fein damit zu sein, wie mein Leben so läuft. Und jetzt steh ich da, vor meinem Salat, dem nur provisorisch eingeräumten Ordnungssystem und dieser Erkenntnis und denke, fuck, sie hat Recht.

Gerade ist echt alles ziemlich okay – hält man die Augen weiterhin hübsch verschlossen vor der Welt – und ich fühle mich auch okay. Echt jetzt!
Arbeit? Läuft.
Sport? Läuft.
Privat? Läuft.

Was ich dennoch gerne einsortieren würde, ist Rosa. Weil, wir arrangieren uns und ich habe Angst, dass sie einfach geht. Ich will sie festhalten, einfach weil halt. Weil Halt, wahrscheinlich. Körper hätte da durchaus ne andere Meinung zu und ist auch ausgesprochen deutlich in seinen Forderungen, was mir wiederum so garnicht in den Kram passt.



Bei 28,3° eine Miezekatze auf dem Schoß zu haben, ist nur so semi 🔥

Aporie

Ich kann sie beide verstehen. Körper, wenn er bei jeglichen Aktivitäten immer deutlicher mault – ganz zu schweigen von so etwas wie dem Zeigen von Leistungsfähigkeit oder gar -steigerung im FitnessStudio – und Rosa, die mir aller in jenen Situationen gefassten Vorsätze zum Trotz einen Vogel zeigt, wenn es um Korrekturen geht. Beide umkreisen sich wie Raubtiere und schmeißen mit Amenorrhoe und Kontrolle um sich. Im entstehenden Handgemenge bekomme ich die meisten Ohrfeigen ab und würde mich gerne trösten lassen, aber dann müsste ich ja reden.
Igittihbäh.
Dass ich eigentlich jederzeit wieder auf Frau Therapeutin zugehen könnte, macht es auch nicht besser, weil ich sehr genau weiß, dass ich mich dort nur ein bisschen streicheln lassen würde, um anschließend wieder einen Weg zu skizzieren, der Lob verdient und nicht stattfindet. Einfach, weil ich es kann, das Ding mit der Manipulation.
Also setze ich mich einfach in die Mitte der Kreise, die die Teufel um mich herum ziehen, und schaue ihnen beim kleiner werden zu.
Wenigstens die Arbeit funktioniert jetzt. Ist ja schonmal was.

Interferenz

Ich bin unverhältnismäßig stolz drauf, wie ich Frau inzwischenExTherapeutin pünktlich zum Ende der Akuttherapie davon überzeuge, dass ich ganz hervorragend stabil bin und auch °überhaupt nicht mehr anorektisch°, wie sie mir spiegelt. °Oder haben Sie noch Leidensdruck?° fragt sie. Meine Antwort ist selbstverständlich °Nein°, auch wenn ich das eigentlich anzufügende °nur Hunger° am Ende dieser Aussage verschweige, was aber garnicht schwer ist, weil Hunger sowieso schon sehr lange nicht mehr zu meinem aktiven Wortschatz zählt.
Rosa zeigt sich angesichts dieser Negierung ihrer Existenz zwar etwas eingeschnappt, aber mit Blick auf meine nie erwähnte TrackingApp, die inzwischen wieder einmal motzende ZyklusApp und Frau inzwischenExTherapeutins angefügte Aussage, dass ich ja schon noch so am ganz unteren Ende vom Normalgewicht bin – noch, Rosa, noch… – lässt sie sich dann doch zur Ghettofaust hinreißen.

°Also dann, jetzt Leben sie erstmal° sagt sie und wir verabschieden uns.
Habe ich vor. Aber mit Rosa, weil ich ohne sie echt nicht alleine sein will in meinem Kopf.

Pleonasmus


Als Kind meiner Eltern bin ich es ja gewohnt, über Klatsch und Tratsch Neuigkeiten aus dem engsten bis entferntesten Umfeld zu plänkeln informiert zu werden, statt Gespräche über persönliches Befinden oder gar psychische Verfassungen zu führen, was das Ganze auf der Metaebene doch irgendwie wieder interessant macht.
Neben einer kollektiven Suchtberatung würde ich zwar schon gerne meinen gesammelten Kopfsalat aus dem letzten Jahr vermitteln – zumal Rosa sich maximal ignoriert fühlt, während ich garnicht so unglücklich darüber bin, nicht permanent dazu gedrängt zu werden, doch Waffeln, Kuchen oder gezuckerten Kaffee zu konsumieren – aber so kann ich einfach lächeln und nicken und metamäßig den Kopf schütteln über all das, was sonst gute 700 Kilometer von mir entfernt stattfindet.

Jetzt, auf dem Rückweg in meine dunkelbunte Fluffblase, bin ich zwar sowas wie dankbar, dass mich die 3 Tage wenigstens vom vergangenen und bevorstehenden Katastrophentermin abgelenkt haben, aber noch viel mehr, dass mich daheim nicht nur drei Flauschemiezen, sondern auch Distanz erwarten.

Achja, außerdem: letzter Krümel SSRI.

Rudimente

Sie hat Geburtstag, also rufe ich meine Mutter ausnahmsweise ohne vorige Verabredung per WhatsApp an. Ich weiß nicht, wann sie mich das letzte Mal unverabredet angerufen hat. Jedenfalls nicht zu meinem Geburtstag, da bekam ich eine WhatsApp. Und an dem davor. Und davor…

Eine Belanglosigkeit folgt der nächsten – nur, dass sie im Juni doch ihren geplanten Urlaub in der Ferienwohnung nicht weit entfernt antreten können, enttäuscht mich dann doch. Direkte soziale Interaktion. „Oh, schön!“, sage ich, und finde es ätzend. Und dann, als ich mich schon fast sicher wähne: „Die Hauptsache ist ja, dass du nicht noch weiter abnimmst. Und du hast ja inzwischen begriffen, dass das nix ist.“
Ich kann meine Augen garnicht so weit verdrehen, wie ich es möchte. „Mhm“, nuschle ich und will sie anschreien, dass es sowas von nicht um meinen Körper und um Butter im Essen geht. Zumindest nicht nur.

Gefühlte zwei Stunden später bin ich erstaunt, dass es angeblich nur 35 Minuten waren. Mein Telefon lügt.

08.05.2020

Zwischen den Zeilen liegen Tonnen von Worten, schwer wie Blei

28.10.2020

Ich sperre die Welt aus und mich ein.

29.03.2021

Was der Parasit und Rosa mit Sex zu tun haben? Alles und Nichts.
Ja, so hab ich am Anfang auch geschaut.

23.10.2021

Der Mann den ich liebe ist der Mann, den ich schütteln will und anschreien, er soll sich gefälligst zusammen reißen, aber weil ich weiß, dass er eine Depression und PTBS hat, zerreißt es mich, weil ich weiß, dass er es nicht kann. Ich träume vom Hausmeister und von Lucifer und fühle mich großartig und grauenvoll deswegen.

28.01.2022

Wir müssen reden. Ohne dass ein konkretes Wir gesetzt wäre; ist variabel zu befüllen – Schatz und ich, EgoStates und ich, Chef und ich, Leser:innen und ich. Aus Gründen. Ich weiß nur noch nicht, aus welchen.
Rosa – die ohne

03.03.2022

Etwas Rotes hat sich irgendwie in meine neutrale Wäsche gemogelt und jetzt ist alles einfach nur noch Rosa.

27.03.2022

Phantasmagorie

Auch, wenn ich jener Halbbekanntverwandten definitiv nicht begegnen werde, die auf der Beerdigung meiner Oma nichts besseres zum nicht menstruierenden Körper zu sagen wusste als °Hömma, schlank bisse!°, ist es vielleicht nachvollziehbar, dass ich nicht in Jubel verfalle, entgegen meinem festen Plan, diesen Urlaub nicht bei meiner Familie vorbeizuregnen, nun keine andere Wahl habe. Aus Gründen.
Die Frage, ob ich mir mit diesen Aussichten Prozente gönne, zerschellt an Rosa, die darauf verweist, dass Wirkstoffe bedeutend weniger Kalorien haben. Recht hat sie.
Immerhin entgehe ich so mal wieder einem Termin mit Frau Therapeutin. Ob das nach dem Katastrophentermin, der ebenfalls nächste Woche ansteht, so besonders schlau ist, wird sich zeigen.
Aber so kann ich wenigstens ihre dringende Empfehlung, beim Ausschleichen laaaangsaaaam zu machen, ganz unbehelligt ignorieren.
BrainZap. 2 Weeks to go.