Unheimlich


Das Gefühl, mich mehr um Schwarz kümmern zu müssen, kommt immer dann auf, wenn zu viele Worte und Halbsätze in meinem Kopf unterwegs sind, die sich ohne ihre Hilfe nur ähnlich leidenschaftslos zu einem Text zusammenfügen lassen, als würde man den Text eines Liedes ohne Melodie monoton und ohne jede Interpunktion vor sich hin lesen. Mag ich nicht.
Mit Rosa bin ich immer verbunden – mal mehr, mal weniger konstruktiv – und auch der Parasit ist – zu? – oft präsent, aber dadurch beherrschbar. Orange fügt sich auch ganz gut ein, hat aber gerade Urlaub. Nur Schwarz sitzt in einer Ecke, schaut zu Boden und sieht gelangweilt dem Staub beim Stauben zu. Und auch, wenn ich sie selbst oft genug für zu dunkel und verdreht halte, um alltagstauglich zu sein, hätte ich sie doch gerne ebenfalls näher bei mir. Zum Schreiben, und vielleicht auch ein kleines bisschen, um besser sehen zu können, was sie so treibt. Um zu wissen, zu fühlen, dass ich mich nicht nur selbst verarsche, sondern dass es tatsächlich ganz gut läuft. Trotz der Katastrophe und den ganzen anderen, ganz und gar ich lustigen Witzen, mit denen das Universum gerade um sich schmeißt.

Alter

Es ist September und meine Oma ist gestorben. Ich fühle mich erleichtert, weil ich finde, dass es schon lange kein Leben mehr war und ich irgendwie froh bin, dass sie nicht noch weitere Jahre auf diesem kaputten Planeten dahinvegetieren muss.
Ich fühle mich ein bisschen schlecht deswegen. Und weil ich nicht heulend in der Ecke sitze und stattdessen amüsiert vor mich hin denke, dass sie zwei Mal geimpft, im September gestorben und daher mit ihren 94 Jahren bestimmt der beste Beweis ist, dass alle Geimpften diesen Monat wohl nicht überleben. °AchtungIronie°
Trotzdem reicht es so langsam mit den schlechten Nachrichten. Erst die Katastrophe Teil drölfzig, dann hält die Krankenkasse Schatz ab in zwei Wochen wieder für Arbeitsfähig (hatte ich schon Katastrophe erwähnt?!) und dann enden gleich zwei Existenzen, auch wenn die Zweite nur das erste Mental Health Café Deutschlands war, mit dem ich mich auf seltsame Art und Weise verbunden fühle. Genug jetzt, bitte.

Manchen Dingen kann man einfach nur so begegnen.

Entflammt

Weitermachen heißt manchmal, einen Schritt vorwärts zu gehen.
Weitermachen heißt manchmal, auf der Stelle stehen zu bleiben und nur zu atmen.
Weitermachen heißt manchmal, einen Schritt zurück zu machen und verlorene Teile wieder aufzusammeln.
Weitermachen heißt, sich alles zu erlauben – jeden Schritt vorwärts, jedes Straucheln, jeden Schritt zurück – aber nicht aufzugeben.
Weitermachen heißt, handlungs- und entscheidungsfähig zu sein.

Weitermachen heißt, dass ich trotzdem eine Scheißangst davor haben darf.

Betäubungsmittel

Die Katastrophe geht in die nächste Runde. Anklageschrift. Ich. Raste. Aus.

Der Parasit schaut nach unserem Klingenvorrat und zeigt sich nur halb zufrieden, aber beruhigt. Er muss etwas geahnt haben, höre ich doch schon seit Tagen das helle Trippeln und Kratzen seiner Klauen von innen an an meiner Schädeldecke.

Rosa findet ebenfalls, dass wir dringend etwas tun müssen, weil Knochen nunmal hübsch sind und wir ja auch nicht ewig so viel essen können, dass es fast reicht. Außerdem könnten bräuchten wir dann nicht mehr so viel Denken, was wirklich wirklich toll wäre. Achja, und uns nicht um den Angeklagten kümmern, ist ja lästig.

Sport. Kann ich bitte Sport machen? So von jetzt bis Montagmorgen, bis ich wieder arbeiten kann? Körper soll sich nicht so anstellen, wer braucht schon Menstruation, wenn es Rosa Parasiten gibt, mit denen man den Tag füllen kann.

Ich wollte wirklich meinen Alltag reflektieren. Und warum ich mich nicht nicht bewegen kann und Zucchinis wiege und überteuerte Klamotten und Nahrungsmittel und Energydrinks kaufe, um Löcher zu füllen. Jetzt habe ich eine super Ausrede. Und keinen Alkohol, was wirklich wirklich bedauerlich ist.

Pazifismus

Diese Sekundenbruchteile, in denen alles nicht nur einfach, sondern auch noch möglich scheint. In denen alles einen Sinn ergibt und ich zu allem bereit bin. Zu leuchten erscheint ebenso denkbar wie zu verglühen. Beides wäre grandios absolut und absolut grandios.

Rot steht vor mir. Ihr heißer Atem dampft mir wenig Corona-konform ins Gesicht und ihre Augen brennen mir ein Loch ins Gehirn. Sie will sich prügeln, sie will rennen, sie will schreien, bis mein Hals, meine Füße und der ganze Rest bluten. Ich gebe ihr ein Kissen in die Hand und erlaube ihr, damit das Bett zu verprügeln. Sie lacht mich aus. Fragt mich, ob ich noch ganz dicht bin. Ich zucke nur hilflos mit den Schultern und verweise auf Frau Bezugseinzeltherapeutin, deren Vorschlag es war. Ihre Schuld, nicht meine.
Rot sucht sich imaginäre Streitpartner, die sie sehr ausführlich zur Schnecke machen kann und wirft ein, dass noch Rasierklingen im Schrank sind. Ich werfe ein, dass ich das schon ziemlich genau weiß, aber ich ihr einen Spaziergang anbieten kann, trotz erst vor wenigen Minuten vereinbarten bewegungsfreien Tag. Also gehen wir. Schnell. Genießen den Schmerz in den Beinen und den Schnee, den mir der Wind ins Gesicht treibt.
Es zerreißt mich dennoch. Nach wie vor. Trotz guter Krankengymnastik. Trotz Sekundenbruchteilen. Körperliche Aggression, die nicht nur mir Angst machen sollte, breitet sich erneut in mir aus und Rot will mehr.