Genau genommen fühlt sie sich nicht besonders besonders.
Ja, sie hat Flügel. Aber das haben auch die vom stetigen Geräusch rieselnden Glitzers umgebenen kleinen zarten Feenwesen, die jeder zu beschützen versucht und die aus sich selbst heraus leuchten. Oder die stolzen, unnahbaren Engel, vor denen die Anderen ehrfürchtig zurückweichen und nichtmal in Betracht ziehen, sie zu behelligen, selbst wenn sie ihre Flügel geschlossen auf dem Rücken tragen.
Aber sie ist einfach nur…ein Flügelwesen. Undefiniert.
Kategorie: Kurzgeschichte
Flügelwesen
Nass und schwer vom Blut zu vieler Kämpfe hängen ihre Flügel an ihrem Rücken herab und hinterlassen kleine rote Gräben im Sand des Weges, der das Gehen so mühsam macht.
Auf wunden Füßen folgt sie möbiusgleich ausgetretenen Pfaden, hinter deren nächster Biegung sie stets das Paradies erhofft, aber nur altbekanntes Unheil findet.
Müde vom Kampf das flammende Schwert dennoch unbeugsam erhoben, bereit für die nächste Schlacht, die unweigerlich kommen wird. Eine einsame Kriegerin, verdammt zum ewigen Kampf gegen den grausamsten aller denkbaren Gegner. Immer wieder trifft sie auf niemanden außer sich selbst und die Frage, wer wohl diesmal als Gewinner daraus hervorgehen wird.
Nass und schwer vom Blut zu vieler Kämpfe hängen ihre Flügel an ihrem Rücken herab und hinterlassen kleine rote Gräben im Sand des Weges, der das Gehen so mühsam macht.
Brüchig
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Sie fühlt sich wie eine Schnecke. Aber anders als bei normalen Schnecken ist ihr Häuschen festgenagelt, und es zu verlassen wird durch die viele Zeit, die sie nun schon gezwungenermaßen darin verbringt, nicht leichter. Im Gegenteil, sie liebt ihr Häuschen und die Sicherheit darin von Tag zu Tag mehr. Die Berechenbarkeit. Die Zweisamkeit, die Einsamkeit. Der wohl dosierte digitale Kontakt, der etwas unverbindliches und leichtes hat, weil er sich ebenso gut kontrollieren wie ignorieren lässt.
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Buchstaben, die ebenso den Inhalt von Gedanken wie Bücher befüllen, tanzen vor ihren Augen wie Glühwürmchen umher und geben weder im Innen noch im Außen einen Sinn. Je mehr es sind, desto weniger will sie sich damit befassen. Bücher verstauben, Zeitschriften stapeln sich zu nur zur Hälfte gelesenen kleinen Türmchen und Gedanken bleiben unvollendet.
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Zu Glas erstarrte Tagesabläufe lenken sie und lassen keine Abweichungen zu. Sie sind scharfkantig und kalt, aber der Druck, den sie beim Hindurchgehen erzeugen, hält sie warm und gleicht einer Umarmung.
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Rosa als selbstverständliche Begleitung an der Hand kann sie es nicht verantworten, sie dieser Gefahr auszusetzen. Also sucht und erfindet sie Gründe. Manipuliert. Verschiebt, damit es nur nicht morgen ist. Jederzeit, aber nicht morgen.
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Versiegelung II
Das Pflaster ist ihr so präsent, wie es nur sein kann. Es juckt, und drunter brennt es ganz furchtbar. Vielleicht bahnt sich auch eine Entzündung an.
Alkohol wäre gerade super. Nicht zum desinfizieren – nicht nur – sondern um zu betäuben und sich Mut anzutrinken, um die Rasierklinge zur Ablenkung anzusetzen. Sie spürt, wie schwach sie ist. Wie sämtliche Energie gerade so ausreicht, um den Tag und das Sportpensum zu überstehen. Während andere ihre gar nicht so plötzliche, aber bisher gut überspielte Langsamkeit als Entspannung missdeuten und loben, spürt sie die physiologische Leere ihres Körpers und den schlurfenden Gang, der ihren Körper mit jedem Schritt mehr herausfordert und nicht vorhandene Reserven weiter leert. Und sie liebt es.
Versiegelung
Was sie unter dem Pflaster sieht, ist nicht unbedingt das, was sie sehen will. Also, unter dem Pflaster, was unter dem Pflaster klebt. Und beide kleben verdammt gut. Nicht nur aneinander, sondern auch auf ihrer viel zu dünnen Haut, die zu zerreißen droht, wenn sie eines der beiden auch nur schräg ansieht.
Aber in den letzten Tagen verspürt sie so etwas wie Neugier und beginnt zu knibbeln. An einer kleinen Ecke, ganz vorsichtig und unauffällig. Von Außen sah man es nichtmal. Mit einer Taschenlampe leuchtet sie unter diese mühsam gelöste Ecke – und wünscht sofort, sie hätte es nicht getan. Eine schwärende, alte Wunde kommt zum Vorschein, verklebt mit all dem Dreck der letzten Jahre, vor dem die Pflaster hatten schützen sollen.
Schnell drückt sie das lose Ende wieder auf ihre Haut, auch wenn es nun nicht mehr so recht halten will. Und auch wenn sie weiß, dass es so nicht heilen kann – ganz im Gegenteil -, ist ihr das bedeutend lieber, als sich der sonst täglich notwendigen Wundpflege anzunehmen, die ihr bevorstünde. Das dumpfe Pochen ist sie gewohnt, hübscher rosa Glitzer verziert die Pflaster und lenkt sie ausreichend ab.
Eisprinzessin
Spröde Stabilität. Wie könnte ich das aufgeben, wenn ich nicht weiß, was passiert, wenn ich auftaue. Nicht weiß, ob ich einfach zerfließe und im Staub versickere. Nicht weiß, ob ich einfach verdampfe und mich im Nebel auflöse.
Mich ergefroren zu halten, auch wenn ich weiß, dass jeder, der mich berührt, eine Gänsehaut bekommt, scheint daher der einzig sinnvolle wie mögliche Weg.