Was sie unter dem Pflaster sieht, ist nicht unbedingt das, was sie sehen will. Also, unter dem Pflaster, was unter dem Pflaster klebt. Und beide kleben verdammt gut. Nicht nur aneinander, sondern auch auf ihrer viel zu dünnen Haut, die zu zerreißen droht, wenn sie eines der beiden auch nur schräg ansieht.
Aber in den letzten Tagen verspürt sie so etwas wie Neugier und beginnt zu knibbeln. An einer kleinen Ecke, ganz vorsichtig und unauffällig. Von Außen sah man es nichtmal. Mit einer Taschenlampe leuchtet sie unter diese mühsam gelöste Ecke – und wünscht sofort, sie hätte es nicht getan. Eine schwärende, alte Wunde kommt zum Vorschein, verklebt mit all dem Dreck der letzten Jahre, vor dem die Pflaster hatten schützen sollen.
Schnell drückt sie das lose Ende wieder auf ihre Haut, auch wenn es nun nicht mehr so recht halten will. Und auch wenn sie weiß, dass es so nicht heilen kann – ganz im Gegenteil -, ist ihr das bedeutend lieber, als sich der sonst täglich notwendigen Wundpflege anzunehmen, die ihr bevorstünde. Das dumpfe Pochen ist sie gewohnt, hübscher rosa Glitzer verziert die Pflaster und lenkt sie ausreichend ab.