Spiegelwelt

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Auf dem See, den sie gerade betrachtete, sah sie das Spiegelbild ihrer Umgebung und von sich selbst. Die Oberfläche lag so ruhig da, dass jedes Detail in perfekter Symmetrie zurückgeworfen wurde. Wenn sie lächelte, lächelte ihr Spiegelbild. Warf sie einen Stein hinein, verschwamm es nur kurz.
Niemals aber zeigte sich, was unter der Oberfläche lag. Ob dort Strömungen den Grund aufwirbelten, der das Licht nach wenigen Zentimetern verschluckte.

Das Spiegelbild

Meine Mama ist heute nach 8 Tagen wieder gefahren. Ich wäre am liebsten heute gar nicht erst aufgestanden. Ich habe versucht, auf mich zu achten, und ich hatte einen ambitionierten Plan. Den ich gegen die Wand gefahren habe.

Am Mittwoch fasste ich den Entschluss, mit Mama am Freitag allein essen zu gehen. Ich wollte ihr so vieles sagen, ihr einen Blick hinter den Spiegel gewähren. Etwas, was ich bereits für unseren Ausflug am Mittoch vorhatte, dort aber nicht schaffte.
Wir hatten einen schönen Abend und zu viel leckeres Essen. Weil ich fahren musste, konnte ich nichts trinken und da lag das Problem. Wir redeten den ganzen Abend – aber nicht ein Wort über das, was ich eigentlich ansprechen wollte.
Vieles von dem, was wir redeten, habe ich schon wieder vergessen. Weil ich, während ich automatische Antworten gab, in meinem Kopf einen Kampf darum führte, ob ich rede oder nicht. Oder nicht hat gewonnen.

Ein neuer Plan entstand. Den gestrigen Ausflug oder das gemeinsame Abendessen nutzen, und reden. Aber auch hier schaffte ich es nicht. Ich führte den gleichen inneren Kampf, und verlor.

Ich versuche, zu verstehen, warum ich es nicht konnte. Warum ich meiner Mama nicht sagen konnte, dass es mich ärgert, wenn sie nicht reagiert, sobald ich schreibe, dass es mir nicht gut geht, aber sich mega freut, wenn das Gegenteil der Fall ist. Dass ich gerne über die Depression, die (letzte) Selbstverletzung und meine arschige Hausarzt-Vertretung reden würde, und warum ich so wenig esse.
Aber ich verstehe es nicht. Kein bisschen. Warum ich mich so schwer damit tue, obwohl mir nichts einfällt, was negatives hätte passieren können (außer enttäuscht oder als Aufmerksamkeitsgeil abgestempelt zu werden). Warum ich mal wieder meine Umgebung gespiegelt und die Maske nicht abgenommen habe.

Graues Wetter. Graue Gedanken.

2 Kommentare zu „Spiegelwelt“

  1. Ich glaube, da hat dein Bauchgefühl als Selbstschutz fungiert. Hinterfrag es nicht zu viel, warum es dich davon abgehalten hat, dich zu öffnen, es war ein Instinkt. Ich zumindest denke, dass er Recht hatte, es sind so oft gerade die Eltern, die mit diesen Themen nicht umgehen können und darum lieber gar nicht reagieren, oder völlig falsch, die es verdrängen, dass das Kind psychische Probleme hat. Weil sie zu erschüttert sind oder sich mit Schuldgefühlen plagen würden bzw. müssten und das für sich aber nicht annehmen können, die es als Vorwurf empfinden, dass man so „verkorkst“ geworden ist. Meine Mutter ist da ganz ähnlich. Ich erzähle ihr schon lange nicht mehr viel von meinem Inneren, gar nichts eigentlich, dabei reden wir oft miteinander. Ich glaube, es ist für uns beide besser so. Ich vermeide schmerzhafte Enttäuschungen und öffne mich lieber Menschen, die nicht so nah dran sind, die sich nicht persönlich angegriffen fühlen durch meine Probleme.

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  2. Hi 🙂 Ich muss amorsolalex zustimmen, so ähnlich habe ich das bei meiner Mutter auch schon erlebt (Gerade Mütter ziehen Schuldgefühle nur so an sich!)

    Ein andere Gedanke: Vielleicht macht sich deine Mutter auch ZU viele Sorgen, kann sie aber nicht zulassen (Du meintest ja du SCHREIBST ihr das – also siehst du ja nie wirklich ihre wahre Reaktion auf deine Worte wenn es dir schlecht geht – nur dass sie halt nicht zurück schreibt) – derweil könnte sie sich ja trotzdem um dich sorgen und sich tausdend Gedanken machen – vielleicht hat sie auch einfach nur Angst, mit dir darüber zur reden, weil sie es nicht schlimmer machen möchte und freut sich dann umso mehr, wenn es dir wieder besser geht.
    Gerade Menschen ohne „diese Probleme“ können oft gar nichts mit solchen Wörtern anfangen, wie „mir gehts nicht gut“ (was aus deiner Sicht vllt heißt: „ich brauche dich/ich brauche jemanden zum reden) und aus ihrer sicht bedeutet „Mir gehts nicht gut“ – „Ich hatte heute einen schlechten Tag und will in Ruhe gelassen werden – morgen gehts mir wieder besser“ _ Jeder Mensch ist anders – jeder Tickt anders und hat andere Gedankengänge.

    Ist auch keine Garantie, dass das auf deine Mutter zutrifft, aber es war erstmal das, was ich mir zu deiner Geschichte dachte! Vielleicht hilft es dir ja!
    ~ganz dolle Grüße von Ceyes.

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