92 – Blind

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Ich frage mich, was mein Gehirn momentan eigentlich die ganze Zeit so tut. Mit Wahrnehmung(sverarbeitung) ist es jedenfalls nicht beschäftigt. Zumindest fühlt es sich seit einigen Tagen so an – als hätte ich einen Tunnelblick und Watte in den Ohren.

Dazu muss ich vielleicht erwähnen, dass ich mich für hochsensibel (HS) halte. Für mich ist das keine Diagnose, sondern lediglich die Beschreibung einiger meiner Eigenschaften, wie es z.B. auch „unmusikalisch“ wäre. Es beschreibt einen Teil von mir – ich trage es ich nicht auf einem blinkenden Schild um den Hals und ist für mich weder Ersatzreligion noch Misssionierungsgrundlage.

Auf das Thema gestoßen bin ich vor rund 3 1/2 Jahren. Ich las eine Zeit lang alles darüber, was ich finden konnte, nachdem das erste Buch eine Offenbarung für mich war. Ich musste weinen, weil ich auf einmal so viel verstand.

Es gibt eine lange Liste mit Dingen, die ich meiner HS zuschreibe. Um ein paar zu nennen:

  • ich kann Stimmungen (vorallem negative) körperlich spüren (und wunderte mich früher immer, warum andere sowas überhaupt nicht mitzubekommen scheinen, während es für mich so offensichtlich war)
  • ich höre „alles“ und kann andere Gespräche nur schlecht ausblenden (ich bekomme also viel Flurfunk mit, aber auch viele wertvolle Infos – manches will ich aber eigentlich garnicht hören)
  • ich reagiere stark auf hormonelle Schwankungen (bzw. auf horm. Verhütung, die ich schon seit einigen Jahren nicht mehr nehme)
  • laute oder zu viele Geräusche mag ich garnicht (ich vergesse nie, wie irritiert meine Kollegen geschaut haben, als ich mir beim Probefeueralarm als Einzige die Ohren zuhielt)
  • ich habe ein hohes Ruhe-/Schlafbedürfnis (10 – 12 Stunden Schlaf sind zwar irgendwie unpraktische Zeitklauer, aber nötig)
  • bei Entscheidungen versuche ich, vorher alle Seiten gründlich zu durchdenken (was mir Entscheidungen nicht leicht macht – vorallem, wenn ich sie ggü. nicht so weit denkenden Kollegen rechtfertigen muss)
  • unbequeme / kratzige Kleidung geht garnicht (muss ja zum Glück auch nicht)

Und der Punkt, an dem ich es am meisten merke, den ich aber auch am meisten mag:

  • ich sehe viele Details, die anderen verborgen bleiben oder die sie erst viel später bemerken (für die Arbeit sehr hilfreich, aber auch bei der Motivfindung beim Fotografieren)

Und diese visuelle Wahrnehmung von vielen Details (die nach einer Nacht mit viel zu wenig Schlaf durchaus auch belastende Ausmaße annehmen kann) ist gerade scheinbar zu einem großen Teil verschwunden. Das merke ich daran, weil ich entweder selbst darüber stolpere (weil ich die Spinne im Gras erst nach einer gefühlten Ewigkeit finde, von der ich weiß, dass sie irgendwo sein muss), oder weil Schatz fragt, „hast du DAS gesehen?“ und ich nur „nö“ antworten kann.

Ich habe keine Erklärung dafür, und es beunruhigt mich. Weil ich Angst habe, diese Fähigkeit(en) zu verlieren, meine Art zu Denken zu verlieren. Mich zu verlieren.

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