Ich habe keinen Stress – ich empfinde ihn.
Dieser Satz geistert seit einigen Tagen durch meinen Kopf. Deutlich wurde mir das bei der Beobachtung einer lieben Freundin, die zwar ein sehr anderes Leben führt als ich, aber mit der ich trotzdem einige Gemeinsamkeiten teile.
Stell dich nicht so an!
Sie lebt an einem Ort, wo andere Urlaub machen, ist in einer stabilen Beziehung, hat schwere Zeiten hinter sich und spürt deren Nachwirkungen – wie ich. Jetzt hat sie eine zusätzliche Verantwortung übernommen, die – von außen betrachtet – nur einen Bruchteil zusätzlicher Zeit in Anspruch nimmt. Und dennoch ist sie, nicht nur emotional, sondern insgesamt gedanklich so sehr und so lange am Tag damit beschäftigt, dass es sie stresst.
Blickt man nun unbeteiligt auf das Ganze, sieht man den Stress nicht. Man könnte sich sogar dazu hinreißen lassen, zu sagen, sie soll sich nicht so anstellen, weil die wenige Zeit am Tag schließlich garnicht stressig sein kann.
Leistungsfähigkeit.
Ich musste ans Wandern denken. Jemand, der für Bergläufe trainiert ist, würde die Wanderungen, die ich mache, nicht einmal als solche bezeichnen. Die längste Wanderung, die wir im Urlaub gemacht haben, lag bei rund 13km und einigen 100 Höhenmetern in beide Richtungen. Es war heiß, steil, und wunderschön. Aber auch anstrengend, am Abend war ich ganz schön platt und froh, als ich nicht mehr laufen musste.
Ableitungen.
Ich kann garnicht genau in Worte fassen, warum mich diese Erkenntnis – und diese Beobachtung an meiner Freundin – so bewegt. Denn eigentlich ist das Ganze durch und durch logisch, und außerdem nichts, was ich mir nicht auch schon vorher als Mantra selbst zu sagen versucht habe.
Aber jetzt fühlt es sich anders an. Echt. Es ist keine leere Phrase mehr.
Ich hoffe, ich kann mir diese Beobachtung künftig vor Augen halten, wenn einer meiner Anteile mal wieder „Stell dich nicht so an!“ schreit. Und ihm damit zeigen, dass ich es nicht tue, sondern es für mich, mit meinen Fähigkeiten, gerade einfach so ist. Punkt.