Gestern war sie in einem schlechten Schwarzweißfilm gefangen gewesen. Viel zu dunkel, grobkörnig. Der Nieselregen lief ihr in den Nacken und ihren Rücken herunter, der schmale Pfad den schroffen Berg hinauf nahm kein Ende. Links und rechts wechselten sich Dornenbüsche mit tiefen Abhängen ab, in denen es nur Schwärze gab.
Mühsam setzte sie immer einen Fuß vor den anderen, weil der Weg zu schmal war, als dass sie hätte umkehren können. Der Wind fauchte ihr unablässig und eiskalt ins Gesicht, brachte sie ins straucheln. Ihr war schwindlig vor Kälte und Erschöpfung, sie bekam kaum noch Luft.
Heute war alles bunt, hell und hochauflösend. Die Sonne schien ihr ins Gesicht und wärmte sie angenehm, der leichte Weg vor ihr führte sie einen sanften Hügel hinunter. Die endlos erscheinenden grünen Wiesen waren voller Blumen, Insekten summten emsig umher.
Leichtfüßig setzte sie einen Schritt vor den anderen und freute sich auf die Landschaften, die sie in weiter Ferne erwarteten. Eine sanfte Briese wehte den Geruch von Natur und Meer und Freiheit zu ihr herüber, sie war trunken vom Leben. In tiefen Atemzügen sog sie all das Neue in sich auf.
Ob der nächste Tag Farbe haben würde, wusste sie nie.
08.10.2016