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Bergauf. Steil bergauf. Einen anderen Weg gab es nicht.

Schon seit einiger Zeit hatte sie keine Abzweigung mehr gesehen, die sie auf einem flacheren Pfad voran gebracht hätte. Stehen bleiben, verweilen, sich ausruhen und vielleicht sogar einen Blick auf die Landschaft werfen war keine Option. Während ihr der Schweiß den Rücken herunterrann und ihr brennend in die Augen lief, fragte sie sich zum tausendsten Mal, wie wohl das Ziel aussehen mochte, auf das sie hinlief. Und zum tausendsten Mal kam sie zu keiner Antwort, außer der, dass der Weg das Ziel war.

Das war absurd.

Ein Weg konnte ein Ziel sein, ja. Wenn sie ihn aus freien Stücken und mit stetem Rundumblick antrat, wie bei einer Wanderung. Aber das hier war anders. Das war keine Wanderung, das war ein Gewaltmarsch, mit schwerem Rucksack und barfuß auf einem steinigen, nicht enden wollendem Aufstieg und immer dünner werdender Luft.

Die Nächte waren kurz und wenig erholsam; die wenigen Plateaus, auf denen sie für einen Moment einigermaßen eben gehen konnte, waren bei dem schwindenden Sauerstoffgehalt nur ein schwacher Trost. Vor allem dann nicht, wenn sie nur wenige Schritte entfernt schon die nächste endlose Steigung sehen konnte.

Sie war einsam hier oben. Sie fragte sich, wo die anderen waren, die den gleichen Weg gehen mussten – waren sie einfach nur schneller, so dass sie sie in der Ferne nicht mehr sehen konnte, oder hatten sie einen anderen Weg gefunden und waren einfach um das gewaltige Felsmassiv, über dessen Grad sie sich von Tag zu Tag quälte, herumgelaufen?

Ein weiterer Schweißtropfen lief ihren Rücken hinunter; einer Warnung gleich, bedeutete er doch wieder einen Verlust an lebensnotwendiger Flüssigkeit. Sie schwenkte ihre Feldflasche, um zu prüfen, wieviel Wasser ihr noch verblieben war. Wenig. Sehr wenig.

Also ging sie weiter. Gierig die dünne Luft atmend, die ihre Lunge nur daran erinnerte, dass sie mehr wollte, mehr brauchte. Auf der Suche nach einem Ziel. Auf der Suche nach einer Quelle.

21.01.2018

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